|
|
Erschienen in: esotera 7/1999
(Seite 16-21) |
Enträtselte Schlangenkraft
Die Aktivierung der Kundalini-Energie, der sagenumwobenen
Schlangenkraft der Yogis, ist das Endziel jeder Yoga- und Tantra-Praxis.
Westliche Wissenschaftler entdeckten jetzt, was sich dahinter verbirgt:
ein realer Energie-Quell für die biologische und spirituelle
Menschen
Von Ulrich Arndt
Eingerollt in dreieinhalb Windungen, ruht sie bei jedem Menschen in der
Nähe des Steißbeins am Ende der Wirbelsäule: die Kundalini,
die sagenumwobene „Schlangenkraft" der Yogis. Ihre „Erweckung" und
das anschließende „Aufsteigen" zum Gehirn soll zu paranormalen
Fähigkeiten und zur ekstatischen Vereinigung mit dem Göttlichem
führen, und das ist nichts Geringeres als das Endziel jeder Yoga-
und Tantra-Praxis (s. Kasten S. 20). Wissenschaftliche Forschungen der
letzten Jahre belegen, daß die Kundalini-Energie keineswegs bloße
Einbildung jahrzehntelang meditierender indischer Asketen ist. Sie existiert
tatsächlich, und zwar als ein verborgener „Mechanismus" in
jedem Menschen. Mehr noch: Die Tests der Wissenschaftler zeigen auch,
daß die „Kundalini-Erweckung", also das In-Gang-Setzen
dieses energetischen Mechanismus, ein neues, weit leistungsfähigeres „Betriebssystem" für
Nerven und Gehirn erzeugt. Das Hirn arbeitet dann gewissermaßen
mit „Starkstrom", was im Alltag eine Steigerung der Kreativität,
Reaktionsfähigkeit und des allgemeinen Leistungsvermögens bewirkt.
Auch außersinnliche Wahrnehmungen und tiefe spirituelle Erfahrungen
sollen dann leichter erreichbar sein.
|
Die Kundalini-Energie
wird durch eine Schlange symbolisiert: eingerollt „schläft" sie
an der Basis der Wirbelsäule; wird sie „geweckt",
richtet sie sich auf - die Energie fließt zum Gehirn |
Hinter dem mystisch anmutenden Kundalini-Prozeß der
Yogis verbirgt sich also ein ganz reales, von der Natur angelegtes,
aber bisher weitgehend ungenutztes Entwicklungspotential des Menschen.
Es kann dem einzelnen und bei entsprechender Verbreitung sogar
der gesamten Gesellschaft den Zugang zu einer höheren Bewußtseinsebene
ermöglichen. Auch das ist heute keine bloße Spekulation „abgehobener" Esoteriker
mehr, sondern die Schlußfolgerung nüchterner Wissenschaftler
aus verschiedenen Reaktionstests mit Kundalini-Probanden. Zunächst
bezweifelten westliche Mediziner, Biologen und Psychiater, daß es
jene geheimnisvolle Energie überhaupt gibt - und nicht wenige
tun das noch immer.
Kein Wunder, denn die mittlerweile zahlreichen Berichte von einer „Erweckung
der Kundalini" klingen zunächst sehr merkwürdig bis phantastisch: „Ich
hatte einen Juckreiz am Steißbein, ein Kitzeln auf der Stirn und
oben auf dem Kopf sowie ein fiebriges Brennen im Unterleib. Mein Geruchssinn
wurde so empfindlich, daß ich üble Gerüche des Alltagslebens
nur mühsam ertrug. In der weiteren Folge schärften sich auch
meine anderen Sinne extrem", beschreibt der japanische Shinto-Priester,
Arzt und Parapsychologe Dr. Hiroshi Motoyama - bekannt geworden durch
seine Meridian- und Chakra- Meßgeräte - die Anfangsphase seines
Kundalini-Prozesses.
Im weiteren Verlauf soll die Kundalini entlang der Wirbelsäule zum
Kopf aufsteigen und dabei die sieben Hauptchakras, die wichtigsten Energiezentren
des Körpers, anregen. Dabei sollen verdrängte psychische Inhalte „aufgelöst" werden
und verschiedene paranormale Fähigkeiten auftreten. Erreicht die
Kundalini-Energie schließlich das Gehirn (bzw. das Kronen-Chakra
am obersten Schädelpunkt), treten ekstatische Lichterlebnisse und
Gefühle der Entgrenzung und Vereinigung mit dem Göttlichen
auf. Bekannte indische Yogis schildern dieses Erlebnis: „Der ganze
Kosmos stand in Flammen (...) Als dieses Licht meine Nerven durchdrang,
rollte sich die Zunge rückwärts gegen den Gaumen. Eine verwirrende
blendende Helligkeit breitete sich in meinem Kopf aus", berichtet
beispielsweise der auch im Westen bekannte Meister des Kundalini-Yoga
Swami Muktananda. Gopi Krischna, dessen als Buch veröffentlichte
Biographie wesentlich dazu beitrug, daß das Kundalini-Erwachen
im Westen bekannt wurde, nahm „jedesmal innerhalb und außerhalb
des Kopfes ein strahlendes Glühen in einem Zustand ständiger
Vibration" wahr. „Als ob ein Strahl einer äußerst
feinen und leuchtenden Substanz durch die Wirbelsäule aufsteigt,
den Kopf ausfüllt und ihn mit einem unbeschreiblichen Strahlen umgibt."
Sri Yogananda, berühmter Meister des Kriya-Yoga, erklärt: „Wenn
du Pranaströme dein Hirn aufwärts steigen fühlst (...)
der Verstand eine Welle glücklicher Seligkeit nach der anderen erfährt,
(...) du schon auf den ersten Blick Einsicht in den Zweck der Geistestechniken
gewinnst und ungewohnte Kräfte (des Geistes, Anm. d. Red.) erwirbst,
dann erkenne, daß Kundalini aktiv geworden ist."
|
|
Beschreiben die Auswirkungen
einer aktivierten Kundalini: Swami Muktananda, Meister des
Kundalini-Yoga (o.), und Dr. Hiroshi Motoyama, Arzt, Parapsychologe
und Shinto-Priester (ganz o.) |
Westliche Psychologen versuchten das Phänomen
zunächst einfach als eine spezielle Form von Geistesstörung
zu erklären. Der Psychiater Vernon Neppe hatte nämlich
1984 bei Messungen der Gehirnwellen entdeckt, daß es bei
ungewöhnlichen Aktivitäten der Schläfenlappen -
zum Beispiel bei bestimmten Epilepsie-Formen - zu vergleichbaren
Visionen, Déjàvu-Erlebnissen und Lichterscheinungen
kommen kann.
Mehrere psychologische Studien befaßten sich seitdem mit der Frage,
ob Unterschiede bestehen zwischen den Symptomen, die beim Kundalini-Prozeß auftreten
können, und jenen, die durch psychische Störungen wie Schizophrenie
und Epilepsie hervorgerufen werden. Zum Beispiel wertete Liane Hofmann
vom Psychologischen Institut der Universität Freiburg 1995 im Rahmen
ihrer Diplomarbeit über 200 Kundalini-Fälle aus, die bereits
in der Literatur ausführlich beschrieben worden waren. Ihren Analysen
zufolge gibt es deutliche, selbst für Laien erkennbare Unterschiede:
Der Kundalini-Prozeß ist stets von Körperempfindungen wie
ungewöhnlicher Hitze oder „Elektrizität" begleitet,
die sich zum Kopf hin ausbreiten. Es kommt zu außerkörperlichen
Erfahrungen, inneren Licht- und Farberscheinungen und zu einer Veränderung
des Atemrhythmus. Typisch für Schizophrenie hingegen sind Probleme
im formalen und inhaltlichen Sprach- und Denkablauf, ein gravierender
Energieverlust und soziale Isolation (s. Kasten S. 19). Nur die „Halluzinationen",
Visionen, Veränderungen in der Körperwahrnehmung sowie mitunter
ungewöhnliche Körperbewegungen und -haltungen sind nach Hofmann
beiden gemeinsam.
Im Westen wird der Kundalini-Prozeß nicht selten unbeabsichtigt
ausgelöst: durch längeres Training von Yoga, Zen, Qi Gong, östlichen
Kampfkünsten und Meditationstechniken oder auch durch Atemtherapien,
Autogenes Training und Methoden der Selbsterfahrung. Liane Hofmann sieht
das kritisch: „Häufig werden diese Praktiken ohne spirituelle
Zielsetzung in typisch westlicher Manier zu verschiedenen Zwecken funktionalisiert
und im Rahmen von Psychotherapie, im Sport-, Gesundheits- oder Selbsterfahrungssektor
angewandt."
Wenn jedoch der Lebensalltag überhaupt nicht an die möglichen
Wirkungen auf energetischer Ebene und auf das Bewußtsein angepaßt
werde, könne es zu gravierenden inneren Konflikten, Verdrängungen
und „Kundalini-Nebenwirkungen" kommen: Kreislauf- und Verdauungsstörungen,
Rückenschmerzen, Atemnot, Hitzewallungen, unwillkürliche Zuckungen,
ungewollte Körperhaltungen und extreme Stimmungswechsel sind die
häufigsten negativen Folgen einer zu schnellen oder falsch motivierten
Aktivierung der Kundalini. Hinzu kommen tiefgreifende psychische Erlebnisse,
die oftmals das bisherige Weltbild grundlegend verändern und den
Betroffnen in eine tiefe Lebens- und Sinnkrise stürzen. Weitere
Auslöser für eine - zumindest kurzfristig andauernde - Kundalini-Aktivierung
können Nahtod-Erfahrungen und die Einnahme bestimmter Drogen sein
oder aber spezielle „Energieübertragungen" durch Menschen
mit einem hohem Energieniveau, in Indien „Shaktipat" genannt.
Auch bestimmte Klänge und Tänze, ja bereits das Rezitieren
von Mantras und Gebeten mit tiefer Hingabe und Konzentration können
nach und nach zu einem „Erwachen" der Kundalini führen.
In den USA entstanden Mitte der 70er Jahre sogar einzelne „Kundalini-Krisen-Kliniken",
um Menschen in einer im Westen bisher weitgehend unbekannten oder zumindest
unbeachteten „spirituellen Krise" besser betreuen und vor
allem erst einmal verstehen zu können. In Deutschland ist inzwischen
die „Psychosomatische Fachklinik Heiligenfeld" in Bad Kissingen
zur wichtigsten Anlaufstelle für solche Problemfälle geworden.
Nur die wenigsten Hausärzte aber kommen heute auf die Idee, daß die
tiefere Ursache der Erkrankung ihres Patienten eine spirituelle Krise
sein könnte.
Dr. phil. Bonnie Greenwell, Psychotherapeutin mit Lehrauftrag am „Institute
for Transpersonal Psychology" in Nordkalifornien und am „C.G.
Jung Institut" in Küssnacht (Schweiz), Mitglied des 1990 gegründeten
internationalen „Kundalini- Research-Network" in Ontario (Kanada),
ist daher der Ansicht, daß immer noch viele Kundalini-Krisen fälschlicherweise
als gewöhnliche Psychosen behandelt werden - ein Kunstfehler, bei
dem die Probleme der Betroffenen durch den Einsatz von Psychopharmaka
sogar noch verstärkt werden können. Dabei hat sich zumindest
im englischen Sprachraum die „spirituelle Krise" als Symptomkomplex
bereits im Laufe der 80er Jahre in Psychologen-Fachkreisen etablieren
können.
Das ist vor allem der Arbeit von Stanislav Grof und der von ihm begründeten
Transpersonalen Psychologie zu verdanken. Typisch für spirituelle
Krisen sind nach Grof vor allem die dabei auftretenden Bewußtseinsphänomene
wie außerkörperliche Erfahrungen, Visionen und Erinnerungen
an frühere Leben, Besessenheitszustände, extremer Wechsel zwischen
Depression und Gipfelerlebnissen sowie zwischen überhöhter
Selbstkritik und Ekstase. Damit sind zahlreiche regulative Gesundheitsstörungen
wie Verdauungsprobleme und Stoffwechselstörungen verbunden. Mit
konventionellen Therapiemethoden aber können all diese Störungen
nicht zufriedenstellend therapiert und mit den bisher anerkannten psychologischen
Modellen auch nicht erklärt werden.
|
|
Von innerem Feuer,
Glühen und anderen Lichtvisionen berichten Sri Yogananda,
Meisterdes Kriya-Yoga (o.), und Gopi Krischna (ganz o.) in
ihren weltweit beachteten Biographien |
Wie aber entstehen diese Phänomene? Itzak Bentov,
Erfinder biomedizinischer Geräte, und Dr. Lee Sanella, Psychiater,
Augenarzt und Mitbegründer der ersten Kundalini-Klinik der
USA in San Francisco, versuchten diese Frage bereits Mitte der
70er Jahre zu klären. Sie bevorzugten weniger ein energetisches
als vielmehr ein physiologisches Erklärungsmodell des Kundalini-Prozesses.
Ihre zahlreichen Messungen an „Kundalini-Patienten" und
Meditierenden führten nämlich zu einer erstaunlichen
Entdeckung: Zentraler „Antrieb" des Kundalini-Prozesses
auf körperlicher Ebene ist nicht eine rätselhafte Energie
an der Basis der Wirbelsäule, sondern vielmehr das Herz.
Bentov hatte ein spezielles Meßgerät für die winzigen
Mikrobewegungen des Körpers konstruiert, die vom Pulsschlag und
der damit verbundenen Bewegung des Blutes hervorgerufen werden. Diese
Mikrobewegungen betragen nur 0,003 bis 0,009 Millimeter und weisen normalerweise
große Unregelmäßigkeiten in der Meßkurve auf.
Wenn die Testperson meditiert, verschwindet jedoch das chaotische Muster.
Statt dessen entstehen gleichmäßige Sinuswellen mit einer
Frequenz zwischen 7 und 8 Hertz (= Schwingungen pro Sekunde). Die Ursache
dieser gleichförmigen Schwingung des gesamten Körpers ist verblüffend
einfach: Der Druckpuls, der sich mit jedem Blutausstoß aus dem
Herzen entlang der Aorta ausbreitet, wird an der ersten Aortagabelung
reflektiert und wandert zurück zum Herzen. Ist der Rhythmus dieser
vom Herzen aus- und dahin zurückgehenden Druckwellen derselbe, entstehen
- wie in der Meditation - gleichmäßige Sinuswellen. Dadurch
wird eine Art natürliches Feedbacksystem in Gang gesetzt, das zunächst
Lunge und Zwerchfell und danach weitere Körperbereiche und Systeme
zum Mitschwingen anregt.
Ein zweites für den Kundalini-Prozeß wichtiges Resonanzsystem
wird durch die vom Herzen ausgestrahlten akustischen Wellen aufgebaut.
Sie durchströmen den gesamten Körper und werden von der Schädeldecke
wieder zurück in den Kopf reflektiert. Schwingt nun das Herz gleichmäßig
im Rhythmus von 7 bis 8 Hertz, bilden sich „stehende" Wellen,
das heißt, Wellenberg und Wellental bleiben ständig am gleichen
Ort. Dadurch beginnen bestimmte Hirnbereiche immer stärker zu vibrieren.
Wird dabei auch der sogenannte „Balken" („Corpus calossum"),
der die linke und rechte Hemisphäre verbindet, stark genug angeregt,
wirkt dies nach Bentov wie „ein Schrittmacher zur Synchronisation
der beiden Hirnhälften".
Die
Kundalini windet sich längs der Wirbelsäule empor (im
Bild als grüne Schlange) und „entzündet“ im
Adepten ein „heiliges Feuer“ - hier die Vision des
US-Künstlers Alex Grey
Ist der vom Balken ausgehende Reiz intensiv genug,
wird schließlich auch der „sensorische Kortex" stimuliert
- jener Teil der Großhirnrinde, in dem die Sinnesempfindungen
des gesamten Körpers lokalisiert sind und der deshalb als „Homunculus",
als „Menschlein im Gehirn" bezeichnet wird. Hier nun
beginnt nach Bentovs Forschungsergebnissen der eigentliche „Aufstieg" der
Kundalini.
Wird nämlich die Hirnrinde gereizt, entstehen im Körper Fehlempfindungen
- man meint, eine Empfindung im Zeh oder Rücken zu haben, in Wahrheit
jedoch läuft nur ein Reiz über den diesen Körperteilen
zugeordneten Bereich des Kortex. Nach Bentov treten also die Kundalini-Phänomene
gar nicht im gesamten Körper, sondern allein im Kopf auf.
Mit dieser These stellt er sich zwar in krassen Widerspruch zum klassischen
Konzept des Kundalini-Prozesses, dennoch kann eine grundlegende Übereinstimmung
nicht bestritten werden: Der in traditionellen Texten beschriebene Weg
der Kundalini-Energie stimmt weitgehend mit der Abfolge überein,
in der die Körperregionen im „Homunculus" auf der Großhirnrinde „abgebildet" sind.
Läuft ein Reiz dort entlang, beeinflußt er zunächst den
Rumpf und bewegt sich dann entlang der Wirbelsäule zum Kopf hinauf.
Allerdings setzt er nicht an der Basis der Wirbelsäule ein, also
dort, wo nach alter Überlieferung die Kundalini aufgerollt ruhen
soll; vielmehr beginnt er am großen Zeh.
Aber auch dazu finden sich Parallelen in den spirituellen Lehren Indiens.
So wird zum Beispiel seit jeher der große Zeh Buddhas verehrt und
an Statuen ehrfürchtig von Gläubigen berührt. Es gibt
auch Yoga-Übungen, in denen man sich auf den großen Zeh konzentriert,
um im Körper „ein Feuer" aufsteigen zu lassen. Zum Beispiel
weckt der Meditierende in der Dahabhavana-Übung, einer alten Yoga-Praktik,
die „Gottheit des brennenden Lichts" Kalagni Rudra, die ihren
Sitz im großen Zeh haben soll. Indem er ihr gestattet, durch den
Körper aufzusteigen, kann er sich mit dem göttlichen Bewußtsein
vereinen. Die Parallelen zum Kundalini-Prozeß sind hier offensichtlich.
|
Psychoterapeutin
Dr. Bonnie Greenwell vom internationalen „Kundalini-Research-Network" |
Symptome der Kundalini-Krise |
Unter einer spirituellen Krise verstehen
transpersonal orientierte Psychologen wie Stanislav Grof und
Ken Wilber eine Vielzahl ungewöhnlicher Bewußtseinszustände,
die den betroffenen Menschen und eventuell auch seine Umgebung
verunsichern und in Bedrängnis bringen. Es sind schwierige
Stadien einer tiefgreifenden psychologischen Transformation,
die intensive Emotionen, Visionen, paranormale Bewußtseinszustände
und verschiedene physische Krankheitssymptome mit sich bringen
können. Diese Erlebnisse drehen sich häufig um spirituelle
Themen - dazu gehören Erfahrungen von Tod und Wiedergeburt,
Erinnerungen, die ein „früheres" Leben zum
Inhalt haben, und Begegnungen mit den verschiedensten mythologischen
Wesen. Im engeren Sinne ist die spirituelle Krise eine Störung
in der Entwicklung der höheren transpersonalen Bewußtseinsschichten,
also der Entwicklung eines „Überbewußtseins",
das die Gebundenheit an das biographische Bewußtsein
des Ich übersteigt.
Das Besondere einer spirituellen Krise liegt jedoch nicht in der
jeweiligen Notsituation, sondern darin, daß in ihr ein großes
positives Potential zu Wandlung und Wachstum, Persönlichkeits-
und Bewußtseinsentwicklung enthalten ist. Psychologen sprechen
von einer Deprogrammierung bestehender Handlungsstrukturen, Verhaltens-
und Glaubensmuster, ihrer grundlegenden Überprüfung und
anschließender Neuorientierung. Individuelle Verhaftungen,
Verdrängtes und „Unerledigtes" werden dabei abgelegt.
Bei der Aktivierung der Kundalini-Energie können Phänomene
auftreten, die westlichen Wissenschaftlern bisher nur von bestimmten
geistigen Störungen her bekannt waren. Nach einer Studie von
Liane Hofmann vom Psychologischen Institut der Universität Freiburg
sind
A) -Symptome, die sowohl bei Kundalini-Krisen als auch bei Schizophrenie
auftreten können:
- akustische und körperbezogene Halluzinationen,
- eine veränderte Körperwahrnehmung
und
- Störungen in der Bewegung (sog. katatone
motorische Störungen).
B) -Symptome, die nur für den Kundalini-Prozeß typisch
sind, nicht aber für die Schizophrenie:
- Veränderungen der Atemfrequenz,
- extreme Temperaturunterschiede zwischen benachbarten
Körperbereichen,
- lokale Schmerzen,
- außerkörperliche und ekstatische Erfahrungen,
- Lichterlebnisse und
- ein zum Kopf hin aufsteigendes Fortschreiten der
Symptome.
C) Symptome, die allein für die Schizophrenie typisch
sind:
- inhaltliche und formale Denkstörungen und
damit einhergehende Sprachverarmung,
- vernachlässigte Hygiene,
- soziale Isolation und
- Energieverlust
|
Diese Hirnwellen-Frequenz entspricht dem Grenzbereich
zwischen Alpha- und Theta-Wellen. Alpha-Wellen sind das typische
Begleitmerkmal entspannter Konzentration und von bestimmten veränderten
Bewußtseinszuständen, Theta-Wellen treten verstärkt
im Zustand tiefer Meditation auf.
Zugleich entspricht dieser Frequenzbereich in etwa der Schwingungszahl
des elektromagnetischen Feldes zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre;
dessen stärkste Frequenz (nach ihrem Entdecker „Schumann-Welle" genannt)
beträgt zirka 7,8 Hertz. Wenn sich also die verschiedenen Schwingungssysteme
im menschlichen Körper auf eine Frequenz zwischen 7 und 8 Hertz
einschwingen, entsteht automatisch auch eine stärkere Resonanz mit
dem Schwingungsfeld der Erde. Es gibt Vermutungen, daß gerade dadurch
bestimmte Psi-Phänomene wie Fernwahrnehmung und Vorausahnungen möglich
werden könnten (s. „Die neue Psi-Forschung", Teil 6,
esotera 8/98).
Hinduistisches
Modell der Kundalini-Energie:
Sie fließt innerhalb der Wirbelsäule und verbindet alle sieben
Haupt-Chakras (durch spezielle Symbole gekennzeichnet)
Schon Bentov war klar, daß sein Modell nur
mechanistisch den körperlichen Aspekt des Kundalini-Prozesses
beschreibt. Daher nannte er es auch „Physio-Kundalini-Syndrom".
Er räumt ein: „Hinter dem Begriff 'Kundalini' steckt
ein weit größeres Konzept, in dem auch planetarische
und spirituelle Kräfte eine Rolle spielen." Kritiker
werfen Bentov vor, daß er mit seinem Modell bestenfalls die
Wirkung eines gesteigerten Flusses von Prana, also der „normalen" Lebensenergie,
erfaßt, nicht aber den eigentlichen Kundalini-Prozeß.
Eine Bestätigung dafür sehen sie in den Forschungen zu
Nahtod-Erfahrungen. Dabei kommt es zu einer Art letztem „Aufbäumen" und
damit zu einer kurzfristigen Steigerung der Lebensenergie, wodurch ähnliche
Phänomene auftreten, wie Bentov sie in seinem Modell beschreibt:
Schon Mitte der 80er Jahre hatten die Psychologen Kenneth Ring und Margot
Grey die These aufgestellt, daß die eigentliche Ursache von Nahtod-Erfahrungen
das kurzfristige Aufsteigen der Kundalini sei. Das würde auch die
energetischen, mentalen und spirituellen „Nachwirkungen" eines
solchen Erlebnisses erklären, von
denen viele Betroffene berichten. Einmal „erweckt", scheint
die Kundalini nämlich meist auch ohne weitere spirituelle Praxis
aktiv zu bleiben - zumindest unterschwellig.
Diese Annahme der Nahtod-Forscher konnte mittlerweile in mehreren Untersuchungen
bestätigt werden. Zum Beispiel bezeichneten 74 Personen mit Nahtod-
Erfahrungen im Rahmen einer Fragebogenstudie, die von Kenneth Ring 1992
durchgeführt wurde, durchschnittlich 36 Prozent der Kundalini-Symptome
als auf ihre Erlebnisse zutreffend. Dazu gehörten: außerkörperliche
Wahrnehmungen, starke Gefühle inneren Friedens und Lichterlebnisse.
Paranormale Phänomene wie Vorausahnungen und eine gesteigerte Sensitivität
hätten sogar noch längere Zeit nach der Nahtod-Erfahrung angedauert.
Der Psychologe Bruce Greyson stellte 1993 in einer Untersuchung mit 153
Personen mit Nahtod-Erfahrungen zudem fest, daß sie deutlich mehr
Kundalini-Symptome aufwiesen als Psychiatrie-Patienten. Yvonne Kason,
stellvertretende Vorsitzende des internationalen „Kundalini Research
Network", entwickelte einen standardisierten Fragebogen zur Untersuchung
dieser Zusammenhänge. Eine damit durchgeführte Pilotstudie
bestätigte ebenfalls den Zusammenhang zwischen Nahtod-Erfahrungen
und Kundalini-Prozeß. Kason vermutet, daß die einzelnen Stufen
der Nahtod-Erfahrung dem Ankommen der Kundalini-Energie in den einzelnen
Chakras und deren „Öffnung" entsprechen.
Das traditionelle
Modell der Kundalini |
Das klassische Modell des Kundalini-Prozesses
stammt aus Indien. Es wird vor allem in alten Abhandlungen über
tantrischen Yoga, Hatha-Yoga und in den Yoga-Upanischaden beschrieben
und ist heute Bestandteil sowohl des Hinduismus als auch des
Buddhismus. Nach den traditionellen Vorstellungen manifestiert
sich das göttliche Bewußtsein in verschiedenen Ebenen
bzw. Bewußtseinsräumen, „Lokas" genannt.
In der Reihenfolge dieses „Abstiegs werden auch die verschiedenen „Tattwas",
die Elemente Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde geschaffen.
Wenn diese formenden Kräfte - symbolisiert durch die Göttin
Shakti - einen Menschen erschaffen, entsteht zunächst der kausale,
dann der feinstoffliche und zum Schluß der grobstoffliche Körper.
Diese Körper werden durch die Chakras, die wirbelförmigen
Hauptenergiezentren, verbunden. Die Chakras repräsentieren auch
bestimmte energetische und geistige Qualitäten und sind so mit
den oben erwähnten Bewußtseinsräumen vergleichbar.
Zudem stehen sie in Bezug zu jeweils einem der Elemente. Zum Energiesystem
gehören auch die 72000 Nadis - Energiebahnen, die in etwa den
bekannteren chinesischen Meridianen entsprechen.
Sind die Persönlichkeitsmuster, die geistigen und körperlichen
Eigenschaften des Menschen geschaffen, windet sich die verbleibende
Energie an der Wurzel des Rückgrats in der Nähe des Wurzel-Chakras
auf - daher ihr Beiname „Schlangenkraft". Gelingt es,
diese Energie zu aktivieren, steigt sie entlang der Wirbelsäule
zum Kopf auf. Zur „Erweckung" der Kundalini werden traditionell
verschiedene Atemtechniken, Meditationen, Yoga-Übungen, Mantras,
Gesänge, Tänze und spezielle Umlenkungen des Energieflusses
in den Nadis bzw. Meridianen genutzt. Dadurch soll Prana am Ruhepunkt
der Kundalini konzentriert und „aufgeheizt" werden. Auf
diese Weise kann der erste der drei Knoten, „Ganthis" genannt,
durchstoßen und damit die erste Bewußtseinsfessel, die
Bindung an das Physische, überwunden werden. Erst dann kann
die Kundalini in das erste Chakra, das Wurzel-Chakra, fließen.
Bei ihrem weiteren Aufstieg durch den mittleren der drei Hauptnadis, „Sushumna" genannt,
transformiert sie sechs Chakras und die damit in Zusammenhang stehenden
Bewußtseinsräume. Mit jedem transformierten Chakra erhält
man auch eine immer umfassendere Perspektiven seiner selbst und innerhalb
der dem jeweiligen Chakra zugeordneten Erfahrungsbereiche. Als Nebeneffekt
sollen sich dabei auch paranormale Fähigkeiten, sogenannte „Siddhis",
einstellen. |
|
Göttin Shakti vereinigt sich
mit Shiva - traditionelles Symbol der Kundalini-Aktivierung |
Schließlich bewegt sich die Energie
zum siebten, dem Kronen-Chakra am Scheitel, was eine direkte
Erfahrung des göttlichen Bewußtseinsraumes ermöglichen
soll.
Probleme in diesem Prozeß können durch energetische und
geistige Blockaden auftreten, durch ein Aufsteigen der Kundalini
in einem Nebennadi und durch eine dem spirituellen Prozeß unangemessene
Lebensweise.
Die Unterscheidungen zwischen Prana als Lebensenergie und Kundalini
als Schöpfungs- und Transformationsenergie sind auch in der
indischen Tradition ungenau. So betont zum Beispiel Swami Muktananda,
daß die Kundalini jederzeit im Körper wirkt. Sie halte
das System im Gleichgewicht und gleiche ständig die Energiebilanz
aus. Erst der „innere" Aspekt ihrer Erweckung bilde den
wahren Anfang der spirituellen Entwicklung. |
Die individuell unterschiedlichen Erlebnisse in der
Nahtod-Erfahrung könnten dann ihre Ursache in den persönlich
stark differierenden psycho-emotionalen Verdrängungen und
Konflikten haben, die bei der „Öffnung" der Chakras
und der damit verbundenen „Bewußtseinsräume" noch
einmal aktiviert werden. Diese Konfrontation mit Verdrängtem
und Unbewältigtem kann sogar zu ausschließlich negativ
empfundenen Nahtod-Erfahrungen führen (s. esotera 5/98, „Einmal
Hölle und zurück").
Die Schlange als Symbol
spiritueller Kraft: in Ägypten markiert sie das Stirn-Chakra
des Pharaos (re.); in Syrien windet sie sich an der Säule
des betenden hl. Symeon hinauf (ganz rechts) |
|
|
Bereits Ende der 70er Jahre aber hatte Dr. Lee Sanella,
Leiter der ersten Kundalini-Klinik in den USA, auf diese Zusammenhänge
hingewiesen. In den alten Traditionen des Yoga gibt es nämlich
extreme Formen der Praxis, bei der bewußt Nahtod-Erfahrungen
ausgelöst werden. Dabei wird der Körper durch Sauerstoffreduktion
in eine lebensbedrohliche Situation gebracht, wodurch die Kundalini
aufsteigen soll. Zum Beispiel werde beim sogenannten „Khechari-Mudra" die
Zunge so eingerollt, daß sie die Luftröhre verschließt
und eine lebensgefährliche Atemnot auslöst. Das entspricht
auch Yoga-Lehren, denen zufolge die Kundalini im Sterbeprozeß zum
Kronen-Chakra aufsteigt. Ihre Energie soll es der Seele - nach
indischen Lehren demjenigen Teil des Energiekörpers, der auf
die Wiedergeburt vorbereitet wird - ermöglichen, den Körper
zu verlassen.
Die überlieferten Beschreibungen des Kundalini-Prozesses stellen
also ausdrücklich einen Zusammenhang zu den Vorgängen beim
Sterben und damit zu den Nahtod-Erfahrungen her. Kann die Kundalini-Energie
aber auch plötzlich durch Todesangst bzw. im Todeskampf aktiviert
werden, muß sie mehr sein als der von Bentov beschriebene langsame
Prozeß des Aufbaus mehrerer gekoppelter Feedback-Schwingungssysteme
im Körper.
Der
Psychologe Kenneth Ring sieht einen Zusammenhang zwischen Nahtod-Erfahrungen
und Kundalini
Um welche geheimnisvolle Energie es sich dabei handeln
könnte, versucht der Feedbackspezialist Gerhard Eggetsberger,
Biochemiker, technischer Direktor und Leiter der Forschungsabteilung
des privaten „Instituts für angewandte Biokybernetik
und Feedbackforschung" in Wien, mit Hilfe spezieller energetischer
Messungen zu enträtseln.
Zuerst war Eggetsberger dem Phänomen der Kundalini-Energie allerdings
nicht bei Menschen mit Nahtod-Erfahrungen begegnet, sondern - quasi im
Gegenteil - bei Messungen zur Erforschung des Orgasmus. Eggetsberger
hatte ein Gerät entwickelt, mit dem auch noch die geringsten Veränderungen
im Gleichspannungsfeld des Körpers und des Gehirns ermittelt werden
können. Damit gelang es 1995 am Wiener Feedback-Institut erstmals,
den Aufstieg der „Schlangenkraft" entlang der Wirbelsäule
indirekt anhand damit verbundener Veränderungen der Gleichstrompotentiale
meßtechnisch zu erfassen. Auch die extreme Aufladung im Gehirn
durch die Kundalini-Energie konnte auf diesem Wege nachgewiesen werden.
Für Eggetsberger steht daher fest: „Ein grundsätzlicher
Unterschied zwischen Prana- und Kundalini-Energie besteht nicht. Er liegt
vielmehr erstens in der Stärke der Energie, zweitens in dem Weg,
den sie nimmt bzw. dem Ort, wo sie konzentriert wird und drittens - und
nicht zuletzt - in der Ausrichtung des Bewußtseins desjenigen,
der sie aktiviert." Nach vierjähriger Erforschung dieser Phänomene
(s. „Die Potentiale der Erleuchtung", esotera 2/96, und 5/99, „Die
Potentiale des Psi") steht für ihn fest, daß „die
Aktivierung der Kundalini gewissermaßen die von der Evolution vorgesehene
Zukunft des menschlichen Gehirns ist" - eine Zukunft, die jeder
durch Training und entsprechende Lebensweise vorwegnehmen kann.
Bildquellen: ©Markus Nies-Lamott, ©Verlag Hermann Bauer, ©Hans Nietsch Verlag, ©Kenneth Ring
|