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Eine Stadt setzt auf Natur pur Eine Stadt setzt auf Natur pur Erschienen in: esotera 4/1995 (Seite 62-66)

Eine Stadt setzt auf Natur pur

Modelle ganzheitlichen Managements stellen wir in dieser Serie vor - Modelle, die von Unternehmen im Arbeitsalltag bereits sehr erfolgreich umgesetzt werden. Auch in Behörden und der Verwaltung faßt neues Denken Fuß. Ein Beispiel ist Bad König, das - von Kureinrichtungen über Gastronomie bis zur biologischen Landwirtschaft - vollständig auf Naturheilverfahren umstellt. Und der ganze Ort wirkt aktiv daran mit

Von Ulrich Arndt

Bad KönigWannenbäder mit heilsamem Thermalwasser, in den Nebenräumen Behandlungen mit Akupunktur, Bioresonanz- und Sauerstofftherapie, draußen im Park eine Gruppe von Menschen, die ganz in ihre Qi-Gong-Übungen vertieft sind - dieses Bild kann sich schon bald einem Besucher des Kurzentrums in Bad König bieten. Während andere Kurorte um ihre Existenz bangen, wagt das Heilund Thermalbad im Odenwald einen außergewöhnlichen Weg aus der deutschen „Bäderkrise": Als erster Kurort Deutschlands setzt man hier ganz auf Naturheilmethoden.
Immer mehr bekommen in Deutschland die Kurkliniken und -städte zu spüren, daß die Menschen in wirtschaftlichen Krisenzeiten auch bei den Ausgaben für ihr Wohlbefinden sparen. Einen Kur- und Gesundheitsurlaub, den man - als sogenannte „offene oder ambulante Badekur" - zu einem Teil selbst bezahlen muß, sehen viele als verzichtbaren Luxus an. Die Zahl der verordneten und von den Krankenkassen vollständig finanzierten Kuren nimmt ebenfalls ab, denn auch sie sind in Geldnöten. So befürchtet der „Deutsche Bäderverband", daß ab 1996 ein bezahlter Kurklinik-Aufenthalt nur noch Menschen gewährt wird, die im Arbeitsleben stehen. Zudem soll die Dauer von heute 28 auf 21 Tage verkürzt werden. Die Zuschüsse für eine „offene oder ambulante Badekur" sollen sogar völlig gestrichen werden.
Die Folgen für die Kurorte sind fatal: Die Zahl der Gäste nimmt schon jetzt ebenso ab wie sich die Aufenthaltsdauer verkürzt. Nicht nur einzelne Kliniken kommen in finanzielle Nöte, sondern ganze Städte, die überwiegend davon leben. Und dies in einer Situation, in der die Konkurrenz sogar noch zugenommen hat. Zu den 265 bundesdeutschen Heilbädern und Kurorten, die um die Gunst der Patienten ringen, kamen etwa 65 in den neuen Bundesländern hinzu. Zur Zeit werden dort außerdem mehrere hochmoderne Kurkliniken mit etwa 7000 zusätzlichen Gästebetten neu errichtet. Manche Heilbäder und Kurorte suchen daher ihr finanzielles Heil bereits in der Privatisierung, verkaufen ihre Anteile an örtlichen Kurzentren, medizinischen Bädern und anderen Kureinrichtungen.
Doch selbst aus diesem engmaschigen Netz gesundheitspolitischer und wirtschaftlicher Abhängigkeiten weisen neue Ideen und neues Management Auswege. Mit der Umstellung auf Naturheilverfahren setzt Bad König Zeichen und liegt daher mit an der Spitze des Trends zur ganzheitlichen Medizin. Der Kurgast wird hier künftig aus einem breiten Angebot an Therapien der Natur- und Erfahrungsheilkunde auswählen können: zum Beispiel Akupunktur, Homöopathie, Enzym-, Neural- und Bioresonanztherapie, Mayr- und Kneipp-Kuren, Chiropraktik, Sauerstoff- und Ozontherapie, Atem- und Psychotherapie sowie Techniken der Körper- und Energiearbeit, wie zum Beispiel Qi Gong, Yoga, Meditation und Autogenes Training.
Einzigartig dabei ist: Nicht nur eine einzelne Naturheilklinik wird in Bad König ganzheitliche Heilmethoden anbieten, sondern alle zentralen Kureinrichtungen des Ortes - ja, die gesamte Stadt - stellen sich auf eine natürliche Heil- und Lebensweise ein. So sind von diesem außergewöhnlichen Gesundheitsprojekt auch nicht nur das örtliche Kurzentrum, Ärzte und Kliniken betroffen. Auch die Hotels und Restaurants, Landwirtschaft und Stadtplanung sind in das umfassende und ganzheitliche Konzept einbezogen. „Wenn wir als Zentrum für Naturheilverfahren glaubwürdig sein wollen, müssen wir in unserer Stadt diese neue Einstellung auch selbst leben", betont Bad Königs Bürgermeister Lothar von Hohenhau. Vor der idyllischen Naturkulisse des Odenwaldes soll auch die Stadt ein harmonisches Umfeld bieten, in dem alles auf die Unterstützung der sanften natürlichen Heilmethoden abgestimmt ist.

Bürger gestalten die Kuridee mit

„Damit solch eine umfassende Umstellung einer gesamten Stadt überhaupt möglich ist, müssen Kurärzte, Kommunalpolitiker aller Parteien, Behörden und nicht zuletzt ein sehr großer Teil der Bürger den ehrgeizigen Plan gemeinsam anpacken", weiß von Hohenhau. Und so ungewöhnlich gemeinsames einvernehmliches Handeln derart unterschiedlicher Gruppen ist, in Bad König scheint es tatsächlich zu funktionieren.
Als Keimzelle dieses Bündnisses fanden zunächst eine natur- und gesundheitsbewußte Bürgerinitiative, ein pensionierter Wirtschafts- und Marketingexperte und ein an Esoterik und Homöopathie sehr interessierter Bürgermeister zusammen. Es begann Ende 1993. Lutz Radtke, pensioniertes Vorstandsmitglied des Reifenherstellers „Pirelli", fühlte sich noch längst nicht als müßiger Rentner und suchte nach einem Betätigungsfeld in seinem Heimatort. Er schloß sich der „Bürgerinitiative Bad König" an, die sich bemühte, Anregungen für ein besseres Kurumfeld zu geben.

Lothar von Hohenhau„Bad König wird sich als Synonym für Ganzheitskur einprägen"

Bürgermeister Lothar von Hohenhau

 

Im Auftrag der Bürgerinitiative analysierte der Wirtschaftsfachmann gemeinsam mit zwei Mitstreitern nüchtern die wirtschaftlichen Zukunftschancen für seinen Wohnort: „Die Kur ist Bad Königs Haupterwerbsquelle. Will sich die Stadt als Kurort behaupten, muß sie zu einem ,Markenartikel' werden wie Bad Wörishofen für die Kneipp- oder Oberstaufen für die Schrothkur. Die wichtigste Infrastruktur von Bad König aber ist die Natur, und da die Kurtherapien zur Infrastruktur passen müssen, liegen die Marktchancen für Bad König in den Naturheilmethoden." So lautet zusammengefaßt das Ergebnis dieser Untersuchung.
„Zwar bin ich an Naturheilkunde interessiert, doch dieses Resultat entstand allein aus der Analyse der wirtschaftlichen Chancen", betont Radtke. Eine Basis dafür waren Zukunftsprognosen und Umfragen. Sie konstatieren in Deutschland einen immer stärker werdenden Trend hin zur Natur- und Erfahrungsheilkunde. So zeigen etwa Patientenbefragungen durch große Krankenkassen wie die „Continentale", daß bereits zwischen 50 und 80 Prozent der Patienten naturheilkundliche Behandlungen bevorzugen würden, wenn sie frei wählen könnten. Binnen weniger Wochen krempelte diese Analyse - als Strategiekonzept mit dem Titel „Eine Stadt im Aufbruch" - die politische Situation in Bad König völlig um: Als erstes fielen die Ideen der Bürgerinitiative bei Bürgermeister von Hohenhau auf fruchtbaren Boden. „Schon seit längerem beschäftige ich mich mit Homöopathie und behandle mich selbst damit", erzählt er. Auf seinem Schreibtisch im Rathaus liegen neben Aktenordnern stets zwei Nachschlagewerke für die homöopathische Behandlung. Die ungewöhnliche Idee, Bad König zu einem Kurzentrum für Naturheilkunde zu machen, hatte so im Bürgermeister sofort einen engagierten Befürworter. Im Frühjahr 1994 diskutierte die Stadtverordneten-Versammlung - das Parlament der Stadt - dieses zukunftsweisende Konzept, und nach heißen Redegefechten wurde es von allen Parteien angenommen - einstimmig! Eine wohl einmalige politische „Koalition" aus SPD, CDU, GAL (Grün Alternative Liste) und zwei freien Wählergemeinschaften sowie die außerparlamentarische Bürgerinitiative ziehen nun an einem Strang, um das Projekt voranzubringen.

Rathaus Bad KönigEinvernehmen in Bad Königs Rathaus (re.): Gemeinsam gestalten SPD, CDU, GAL, Bürgerinitiative und Wählergemeinschaften die Stadt zu einem Zentrum für naturheilkundliche Kuren um

 

In Bad König versucht also nicht - wie so häufig in der Politik - eine „abgehobene" Parteienmehrheit eine Idee umzusetzen. Das Mitspracherecht möglichst vieler Einwohner wird sogar noch über die Stadtverordneten-Versammlung hinaus ausgedehnt: In zehn Arbeitsgruppen, für die insgesamt über 60 Bürger der Stadt als Fachleute gewonnen wurden, werden die konkreten Maßnahmen für den schrittweisen Umbau der Stadt zu einem Naturheil-Kurort erarbeitet. Ärzte und Heilpraktiker sind darin ebenso vertreten wie Politiker, Wirtschafts- und Verwaltungsfachleute, das örtliche Gewerbe, Gastronomie und Hotellerie und weitere engagierte Einwohner. Der Vorteil dabei ist: Nicht nur die Aufgaben werden verteilt, sondern die Vision einer ganzheitlichen „Heil-Stadt" wird zur Herzensangelegenheit vieler Bürger. Jeder trägt die Ideen und Diskussionen aus den Arbeitsgruppen in seine Familie, seinen Verein und in die Stammtischrunden hinein. So soll quasi der gesamte Ort in die Diskussion einbezogen werden.
Trotzdem ernten die neuen Ideen nicht bei allen Zustimmung, räumt Bürgermeister von Hohenhau ein. „Mit dieser Diskussion aber kann jeder Einwohner wieder ein stärkeres Interesse am Geschehen in seinem Heimatort entwickeln und eine größere Mitverantwortung für das Gemeinwesen übernehmen", hofft er. Noch sind die Bürger freilich mitten in diesem inneren Prozeß. Ob sie ihn tatsächlich mehrheitlich so erleben, daß nicht nur „die da oben" bestimmen, sondern daß auch ihre Bedenken ernst genommen werden und sie wirklich selbst mitgestaltente können, ist noch offen. An den Stammtischen macht weiterhin der neue Spottname für Bad König, „das Müslibad", die Runde - auch wenn mittlerweile ein anerkennender Unterton mitschwingt.

Von Bioresonanz bis Irisdiagnose

Vieles muß in den speziellen Ausschüssen bedacht und geplant werden. Die Arbeitsgruppe „Therapie-Angebot" wählt zum Beispiel die Diagnose- und Heilverfahren aus, die zukünftig im örtlichen Kurzentrum angewendet werden sollen. Das Besondere daran sind nicht nur die eingesetzten Methoden der Natur- und Erfahrungsheilkunde selbst. „Ungewöhnlich war auch, daß sich Schulmediziner, Heilpraktiker und Apotheker einigten, welche Diagnosemethoden bei der anfänglichen Untersuchung gleichberechtigt angewendet werden sollen", erzählt Alfred Hegny, Apotheker in Bad König und Koordinator dieser Arbeitsgruppe. Dabei werden künftig neben den üblichen schulmedizinischen Untersuchungen und Messungen auch Irisdiagnose, Elektro-, Bioresonanz- und Segmentdiagnose - als Basis für Neuraltherapie oder Reflexzonenmassagen - vorgenommen.
Nach diesem ersten Gesundheitscheck hat der Patient dann die Wahl, ob er sich schulmedizinisch oder aber naturheilkundlich behandeln lassen möchte. „Da in Zukunft viele Patienten einen Großteil der Kurkosten selbst bezahlen müssen, werden sie auch kritischer in der Wahl der Behandlungen sein", vermutet von Hohenhau, und weiter: „Bei diesen aufgeklärten und gesundheitsbewußten Patienten wird die Naturheilkunde den Vorrang haben." Seiner Meinung nach wird sich daher bei diesen Menschen Bad König als Synonym für eine erfolgreiche Ganzheitskur einprägen.

Alfred Hegny und Lutz Radtke„Schulmediziner und Heilpraktiker einigten sich auf Diagnosemethoden"

Alfred Hegny (li.), Lutz Radtke

 

Andere Arbeitsgruppen sprechen mit den jeweiligen örtlichen Gewerbetreibenden und machen bei Bedarf Vorschläge, wie diese ihre Angebote erweitern können, um die naturheilkundlichen Maßnahmen zu ergänzen. So soll zum Beispiel die Arbeitsgruppe „Hotels und Pensionen" unter anderem die Hotellerie dazu bewegen, den Heilerfolg durch passende Ernährung zu unterstützen. Das Speisenangebot muß etwa auf die Fastenkuren - wie Heilfasten nach Buchinger, Schrothkuren oder Fasten nach Shelton - abgestimmt werden. Die Arbeitsgruppe „Restaurants, Gaststätten und Nahrungsmittel" wiederum prüft, ob die Qualität der Speisen dem hohen Anspruch ganzheitlicher Heilmethoden entspricht. So sollen möglichst viele Restaurants und Hotelküchen davon überzeugt werden, in Zukunft überwiegend Nahrungsmittel aus anerkannten biologischen Anbauformen zu verwenden. Durch entsprechende Abnahmegarantien können wiederum einige Bauern im Umland Bad Königs neu motiviert werden, auf natürliche Anbauweisen umzustellen. „So wird die bäuerliche Existenz gesichert, unsere Kulturlandschaft sinnvoll erhalten, und nicht zuletzt ist dies der beste Schutz für unsere einzigartigen Quellen und Brunnen", betont von Hohenhau.

HeilquellenHeilquellen (re. Trinkhalle des Kur-Zentrums) haben Bad Königs Ruf als Kurort begründet

 

Zwei Bauern, die nach anerkannt biologischen Methoden anbauen, gibt es in Bad König bereits. Ackerflächen für einen „Bio"-Gärtner, der sich neu ansiedeln will, sind schon ausgewählt. „Für den Fall, daß der Bedarf an biologisch angebauten Nahrungsmitteln tatsächlich merklich steigen sollte, haben bereits weitere Bauern ihr Interesse an einer Umstellung angemeldet", berichtet Peter Krebs, Mitglied des Arbeitskreises „Infrastruktur", Vorsitzender der GAL und selbst „Bio"-Bauer. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich jedoch nicht nur mit der Landwirtschaft. Sie versucht auch, Unternehmen zu finden, die sich in dem neuen, parkähnlich gestalteten Gewerbegebiet „mit dem Fokus Naturmedizin" ansiedeln möchten. Dort sollen nur Produkte hergestellt werden, die nicht im Widerspruch zu dem neuen städtischen Selbstverständnis als Naturheil-Kurort stehen. Die Chancen für eine komplette Umstellung Bad Königs auf Naturheilverfahren sind gut. Schon bisher lag der Schwerpunkt bei den natürlichen Heilwasser-Therapien: Trink- und Badekuren, die gegen Muskel-, Gelenk- und Nervenschmerzen, Stoffwechselkrankheiten, vegetative Störungen und für Aufbaukuren zur Regeneration empfohlen werden. In Zukunft soll diese traditionelle Bädermedizin durch die neue breite Palette von verschiedenen Naturheilverfahren und energetischen Therapien sowie durch Gesundheitsschulungen ergänzt werden.

„Stärkung von Körper, Geist und Seele"

„Die alten und neuen natürlichen Heilmethoden bilden das Kernangebot in unserem Kurzentrum. Ganz sicher kommen aber schnell noch weitere Angebote von Ärzten, Heilpraktikern und Therapeuten hinzu, die sich aus eigenem Antrieb in unserer Stadt ansiedeln werden", ist von Hohenhau überzeugt. Er hofft, daß darunter auch Begleittherapien für den wichtigen psychosomatischen Bereich, für eine Harmonisierung von Geist und Seele sein werden. Auch in den Gesundheitsschulungen des Kurzentrums sollen die Patienten zum einen verschiedene Anleitungen für eine gesunde Lebensweise - etwa zu gesunder Ernährung, richtiger Bewegung und Raucherentwöhnung - erhalten. Zum anderen werden Techniken der Entspannung und Meditation vermittelt, mit denen Selbstheilungsenergien - der sogenannte „innere Heiler" - angeregt werden können.
„Ziel ist eine Stärkung von Körper, Geist und Seele", erklärt Dr. Konrad Anneken. Der Arzt für Allgemeinmedizin, Spezialist für Umweltmedizin und Koordinator der Arbeitsgruppe „Therapeutische Kommunikation" wendet einige dieser natürlichen Heilmethoden bereits in seiner Praxis und einer kleinen Klinik in Bad König an. Angst vor Konkurrenz durch das örtliche Kurzentrum hat er dennoch nicht, im Gegenteil: „Es wäre eine wichtige Hilfe für die Ganzheitsmedizin, wenn Kur und Heilung durch ein ganzheitliches Konzept unseres Ortes - angefangen von der Gastronomie bis zur Gestaltung des Ortsbildes - unterstützt würden."
Bürgermeister von Hohenhau sieht das ähnlich: „Auf diese Weise könnte Bad König in einigen Jahren zu einem Zentrum ganzheitlicher Gesundheit werden", so seine Vision. Die wissenschaftliche Begleitung hierfür erhofft er sich unter anderem von der Ansiedlung des „Deutschen Instituts für Naturheilmethoden", über die zur Zeit verhandelt wird.

Mehr Erfolg bei der Heilung

Zusätzlich zum örtlichen Kurzentrum und zum Angebot einzelner Ärzte wollen auch die Kliniken Bad Königs künftig verschiedene Naturheilverfahren ergänzend zur Schulmedizin anbieten. Schon die rückläufige Zahl an Kurpatienten zwingt sie aus wirtschaftlichen Gründen, sich eine neue Patientenschicht zu erschließen. Zumindest einige Ärzte aber haben auch ein großes fachliches Interesse an diesen neuen Wegen der ganzheitlichen Heilkunde und an ihren oftmals erstaunlichen Erfolgen. Für ihre Information und Fortbildung in der Natur- und Erfahrungsheilkunde konnten von Hohenhau und Radtke den renommierten Priv.-Doz. Dr. Dr. Moerchel gewinnen, der unter anderem auf Einladung des sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst als Gastprofessor für Naturheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Dresden tätig war.

Naturidylle in Bad König„Ganzheitsmedizin wird durch den Umbau der Kurstadt unterstützt"

Naturidylle in Bad König

 

„Wie wichtig es ist, die bisherigen Kurformen zu überdenken, sieht man zum Beispiel auch daran, daß einige Patienten häufiger als zehnmal nach Bad König kommen. Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob diese Kuren nicht zu geringe Erfolge gebracht haben", gibt von Hohenhau zu bedenken. Dank der Naturheilverfahren sollen die Patienten das Odenwälder Heilbad künftig dauerhaft gesünder verlassen. „Wir hoffen, daß sie dennoch als Feriengäste wiederkommen; aber dann allein deshalb, weil es in unserer Stadt und in den umliegenden Wäldern so schön ist, und nicht, weil sie es aus gesundheitlichen Gründen müssen", wünscht sich der Bürgermeister.
Wann der neue naturheilkundliche Kurbetrieb in Bad König beginnen wird, steht noch nicht fest. „Dies hängt wesentlich davon ab, ob die Stadtverordneten-Versammlung einen Umbau des Kurbades oder sogar einen kompletten Neubau beschließt", erklärt von Hohenhau. Bisher war geplant, bereits mit der Kursaison 1995 zu beginnen. Jetzt wird man wohl erst 1996 soweit sein.
Was zur Zeit in Bad König geschieht, stellt aber nicht nur ein Pionierprojekt in Sachen ganzheitlicher Medizin dar. Es ist darüber hinaus auch ein Beispiel dafür, daß Neues Management erfolgreich praktiziert werden kann, ohne daß die meisten Beteiligten sich dessen überhaupt bewußt sind oder in Seminaren für Teamarbeit darin geschult wurden. Dennoch wird die Mitverantwortung und Mitbestimmung möglichst vieler gefördert. Die Auswahl der Arbeitsteams - der Mitglieder in den zehn Arbeitsgruppen - wurde nicht nur nach fachlicher Kompetenz, sondern auch danach getroffen, ob sie menschlich miteinander harmonieren.
Gemeinsam setzt man sich mit seinem „Produkt" für eine übergeordnete Idee ein. Viele bekommen die Chance, sich in neuen Aufgabengebieten persönlich weiterzuentwickeln. Und nicht zuletzt wird ein „Produkt" vermarktet, bei dessen „Herstellung" nicht nur die Kurstadt als „Verkäufer" und Patienten als „Käufer" profitieren, sondern - etwa durch die Förderung biologischer Landwirtschaft und die Erhaltung des Odenwaldes - auch die Erde selbst. Damit werden sogar die strengen Anforderungen des Win+Win+World-Modells für Neues Management erfüllt, das die amerikanische Zukunftsforscherin Hazel Henderson entwickelt hat (s. esotera 11/94, „Neues Denken in der Krise"). Demzufolge werden in Zukunft nur solche geschäftlichen Unternehmungen erfolgreich sein, bei denen auch die Erde, die Tiere und die Pflanzen gewinnen.

Momarter-EicheKraftplatz Momarter-Eiche

 

Die natürliche Umwelt aber spielt in Bad König eine besondere Rolle: Wälder überziehen die Hügel rund um die Stadt. Der Sage nach ist es diese Landschaft, durch die einst der germanische Held Siegfried zog. Der „Siegfried-Brunnen", die Nibelungenstraße und Bad Königs „Fafnir-Quelle" (Fafnir bedeutet auf althochdeutsch Drachen) erinnern daran. Unweit des Ortes stehen sagenumwobene Eichen - alte Gerichts- und „Kraft"-Plätze - wie der von Postkarten bekannte „Odenwaldbaum" und die Momarter Eiche. Und nach einem längeren Waldspaziergang erreicht man den römischen Limes, der hier in seinem Verlauf zum Teil den Kraftlinien der Erde, den sogenannten Leylines, folgt.
„Einige wenig besuchte Kraftorte können esoterisch interessierte Menschen hier entdecken", erzählt von Hohenhau, der sich selbst als Esoteriker betrachtet. „Vielleicht", so meint er halb scherzhaft, „ist es ja doch kein zufälliges Zusammentreffen, daß gerade Bad König der erste Kurort Deutschlands werden wird, in dem Naturheilverfahren absoluten Vorrang haben."

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