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Erschienen in: esotera 2/1995
(Seite 84-89) |
Tor zu den Sternen
Die ägyptischen Pyramiden stehen nicht planlos
in der Wüste, sondern bilden eine gigantische Himmelskarte
mit dem Sternbild Orion im Zentrum. Das ist das Ergebnis neuester
Forschungen. Die Cheops-Pyramide war demnach Mittelpunkt einer
Sternenreligion um die „Wiedergeburt" des Gottes Osiris
Von Ulrich Arndt
Möglicherweise ist das Geheimnis der Pyramiden von Gizeh jetzt -
zumindest in wesentlichen Teilen - enträtselt: Nicht wahllos, sondern
nach einem gigantischen einheitlichen Plan der ägyptischen Priester
sollen die Pyramiden der 4. und 5. Dynastie (ca. 2650-2150 v. Chr.) ins
Nildelta gesetzt worden sein. Auch den Zweck der berühmtesten aller
Pyramiden, der des Cheops in Gizeh, und den Ablauf der religiösen
Rituale in ihr glauben Robert Bauval und Adrian Gilbert in ihrem Buch „Das
Geheimnis des Orion" (List-Verlag 1994) treffend rekonstruiert zu
haben.
Die
Hobby-Archäologen und Kenner des alten Ägypten, Ingenieur
Robert Bauval (links im Bild) und Verleger Adrian Gilbert
Den Schlüssel für diese neuen und bisher
umfassendsten Hypothesen zum Rätsel der Pyramiden lieferte
dem in Ägypten geborenen Ingenieur Bauval und seinem Koautor
und Verleger Gilbert die Astronomie. Nicht ohne Grund, denn die
Priester im alten Ägypten waren bekanntermaßen zugleich
hervorragende Astronomen. Zudem wurde jedes Ereignis der Geschichte
in der ägyptischen Religion als Wiederholung eines mythischen
Ereignisses aus der Zeit der Götter betrachtet, darüber
sind sich Ägyptologen und Religionshistoriker einig.
Mit Hilfe eines Astronomie-Computerprogramms rekonstruierte Bauval den
Nachthimmel vor rund 4500 Jahren zur Zeit des Baus der Cheops-Pyramide.
Seine erste faszinierende Entdeckung dabei: Die Anordnung der Pyramiden
von Gizeh stimmt verblüffend genau mit den Positionen der Sterne
im Sternbild Orion überein. Dabei spiegeln nach seinen Berechnungen
die Cheops-, Chephren- und Mykerinos-Pyramide in ihrer Anordnung die
Sterne im sogenannten „Gürtel des Orion" wider. Darüber
hinaus sollen die verschiedenen Dimensionen der Bauwerke der unterschiedlichen
Leuchtkraft der Himmelskörper entsprechen.
Durch Vergleiche mit Sternenkarten glaubt Bauval, mittlerweile für
fast alle Sterne des Orion sowie weitere die passenden Pyramiden als
irdische „Platzhalter" gefunden zu haben. Darüber hinaus
wurde der Nil von den Ägyptern schon immer mit dem mythischen „Okeanos",
der Milchstraße, identifiziert. Das gesamte ägyptische Kernland
mit seinen scheinbar chaotisch in der Wüste angeordneten Bauwerken
erscheint so als eine überdimensionale Karte des Sternenhimmels.
Doch zu welchem Zweck sollte solch ein gigantischer Plan über fast
500 Jahre hinweg verfolgt worden sein?
Computer beweist die stellare
Ausrichtung
Der Schlüssel dazu ist nach Bauvals Forschungen
in den kultischen Vorstellungen der alten Ägypter und in dem
letzten erhaltenen Weltwunder der Antike zu finden - in der Cheops-Pyramide:
Sie soll für den verstorbenen Pharao die Eingangspforte in
den Himmel gewesen sein, damit seine Seele nach altägyptischem
Glauben als Stern wiedergeboren werden kann. Hinweise hierfür
fand Privatforscher Bauval zum einen in den ältesten ägyptischen
Schriftzeugnissen, den sogenannten „Pyramiden-Texten".
Zum anderen liege die besondere Rolle, die der Cheops-Pyramide
zukomme, in den einmaligen, bisher im letzten ungeklärten
Besonderheiten dieses Bauwerks begründet - nämlich in
den sogenannten vier „Lüftungsschächten" der
beiden großen Kammern im Inneren. „Einer Lüftung
dienten diese Schächte ganz sicher nicht. Zudem haben sie
keinerlei konstruktiven Sinn", bestätigt der deutsche
Archäotechniker Rudolf Gantenbrink. Erst jüngst hatte
er mit Hilfe eines Miniroboters den Neigungswinkel dieser nur 20
Zentimeter breiten quadratischen Schächte exakt vermessen.
Diese
Tür mitten in der Cheops-Pyramide entdeckte Archäotechniker
Rudolf Gantenbrink mit einem kamerabestückten Miniroboter
Bauval prüfte mit Hilfe des Computers, ob es
Sterne gäbe, auf die diese Schächte vor 4500 Jahren ausgerichtet
worden sein könnten. Das Ergebnis: Die Schächte fixieren
eine ganz bestimmte Sternenkonstellation um den Gürtelstern „Al
Nitak" des Orion und den Stern Sirius. Orion und Sirius aber
spielten in der ägyptischen Religion eine sehr bedeutende
Rolle. Das Sternbild Orion wurde mit dem Gott Osiris und der Sirius
mit der Göttin Isis gleichgesetzt. Die mythische Geschichte
von Isis und Osiris ist die älteste Auferstehungslegende der
Welt und eines der wichtigsten Themen der altägyptischen Religion.
Sie erzählt, daß Osiris von seinem Bruder ermordet und
zerstückelt wurde. Isis suchte die Teile wieder zusammen;
durch ihre Liebe wurde Osiris wiederbelebt, und gemeinsam zeugten
sie Horus, den vielfach dargestellten falkenköpfigen Gott
der alten Ägypter.
Diese Legende soll nach Bauvals Überzeugung ihre Vorlage in dem
charakteristischen Himmelslauf des Orion/Osiris und Sirius/Isis haben.
Kampf, Tod und Wiedergeburt des Osiris hätten ihr Vorbild im Verschwinden
des Sternbilds bzw. einzelner Sterne hinter dem Horizont und in seiner
komplizierten Wanderung über den Himmel.
Sternenlauf als Vorlage
für „heilige Fristen"
So gewagt diese These auf den ersten Blick erscheint,
sind mit ihr doch verblüffende Deutungen bisher unerklärlicher
Details in der altägyptischen Religion möglich. Zum Beispiel
stimmen die Zeitspannen, die das Sternbild Orion für den Durchgang
durch die einzelnen Phasen seines Himmelslaufes benötigt, überraschend
genau mit „heiligen Fristen" überein. Die bisher
logisch nicht erklärbare Zeitspanne des 70 Tage währenden
Einbalsamierungsrituals findet hier ebenso ihre Entsprechung wie
die „göttliche Schwangerschaft" der Himmelsgöttin
Nut von 280 Tagen (was der durchschnittlichen menschlichen Schwangerschaft
von etwa neun Monaten entspricht), nach der die Seele des Osiris
als Stern wiedergeboren wird.
In der Epoche, die der Pyramidenzeit unmittelbar vorausging, zeigte sich
dieser eigentümliche Himmelslauf des Orion in einer ganz besonderen,
für die Menschen der damaligen Zeit sicherlich spektakulären
Konstellation mit dem Sirius/Isis: Nach einer Phase, in der Sirius hinter
dem Horizont verborgen war, fiel sein Aufgang am Nachthimmel mit der
Sommersonnenwende und zugleich mit dem Einsetzen der Nilüberschwemmung
zusammen. Dieser Zeitpunkt war zudem der Beginn des neuen Jahres und
bildete die Grundlage der kalendarischen Berechnungen im alten Ägypten.
Auf dieser Verbindung von „himmlischen Zeichen" und lebenswichtigen
irdischen Ereignissen aber beruhen nach den Forschungen von Bauval und
Gilbert zahlreiche kultische Vorstellungen. Und eben dieser außergewöhnliche
Zeitpunkt wurde im Bauwerk der Cheops-Pyramide durch die besonderen Neigungswinkel
der Schächte, die diese Sternenkonstellation anpeilen, für
immer festgehalten.
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Die Pyramiden von Gizeh. Als Bauval
sie von oben sah, erkannte er, daß ihre Anordnung den
Gürtelsternen des Orion (Bild re.) entspricht |
Die Helligkeit der Sterne des Oriongürtels
wurde von den Pyramidenerbauern als unterschiedliche Höhen
der Bauwerke wiedergegeben |
Wozu aber könnte eine solch gewaltige „Peilstation" praktisch
gedient haben? Sehr viele Buchautoren haben über den Zweck
dieser Pyramide bereits Thesen aufgestellt. Die entsprechende Literatur
füllt ganze Regale. Nach den Untersuchungen von Bauval und
Gilbert soll in der Cheops-Pyramide ein Fruchtbarkeits- und Auferstehungskult
vollzogen worden sein - und dies vermutlich nicht nur einmal. So
habe in der sogenannten Königinkammer die Zeremonie der Mundöffnung
stattgefunden, wie sie unter anderem im altägyptischen „Totenbuch" beschrieben
ist. Wahrscheinlich wurde hier auch eine Art „rituelle Inszenierung
der stellaren Paarung zwischen Orion und Sirius - also die symbolische
Zeugung des Gottes Horus - vollzogen, wie sie in der Osiris-Isis-Legende
geschildert wird. Damit bei dieser Zeremonie die Kräfte der
Sternen-Götter anwesend sein konnten, sollen die Schächte
der Pyramide angelegt und auf die beschriebene Konstellation am
Nachthimmel ausgerichtet worden sein.
Nach diesen Riten sei die Mumie dann durch die .Große Halle" in
die „Königinkammer" getragen worden. Hier habe die Zeremonie
des „Wiegens der Herzen" stattgefunden, und die Seele des
Pharao sei durch einen der dortigen Schächte als neuer Stern zum
Himmel hinaufgefahren.
Geheimnisvolle Tür in
der Cheops-Pyramide
Aufgrund ihrer Nachforschungen konnten die Autoren
auch gezielte Hinweise auf originale Beigaben aus der Cheops-Pyramide
geben, die völlig in Vergessenheit geraten waren. Zwei Objekte
aus einem Schacht zur sogenannten Königinkammer wurden daraufhin
im Fundus des „Britischen Museums' in London als diese Originale
erkannt: eine kleine Steinkugel und ein gebogener metallener Haken.
Nach Bauvals Vermutung fanden sie bei einem Ritus des symbolischen „Wiegens
der Herzen" und bei der Mundöffnung des einbalsamierten
Pharao, damit die Seele entweichen konnte, Verwendung.
Wer aber hatte für diese religiösen Zeremonien solch gewaltige
Bauwerke und ihre Anordnung nach der „Sternenvorlage" entworfen?
Die ägyptischen Mythen nennen den Weisheitsgott „Thot" selbst
als Erbauer oder zumindest als Konstrukteur der Bauwerke. Zudem soll
dies bereits in der „ersten Zeit` des Osiris geschehen sein. Auch
für diese Zeitangabe meint Bauval eine Deutung gefunden zu haben:
Aufgrund des Kreisens unserer Erdachse - Präzession genannt - wandern
die Sternbilder in etwa 25 800 Jahren (was einem „platonischen
Jahr" entspricht) einmal um den Pol der Ekliptik. Die „erste
Zeit" des Orion/Osiris, also der niedrigste Punkt, von dem das mit
dem Gott gleichgesetzte Sternbild diesen jahrtausendelangen Zyklus begann,
fiel in die Zeit zwischen 10 450 und 10 400 v.Chr. Zum ersten Mal erschien
hier nach Bauvals Berechnungen auch die typische Sternenkonstellation,
die die Pyramiden auf der Erde nachstellen sollen.
Das
Sternbild Orion wurde nach der ägyptischen Mythologie mit
dem Gott Osiris identifiziert, der Stern Sirius mit Isis
Bereits vor 50 Jahren hatte ein ganz anderer „Kundiger" die
Aufmerksamkeit auf die Zeit um 10400 v.Chr. gelenkt - der berühmte
amerikanische Hellseher Edgar Cayce. Er behauptete, daß die
Cheops-Pyramide - zumindest in ihrem Entwurf - bereits in dieser
Zeit in Angriff genommen worden sei. Zur Zeit nähert sich
das Sternbild langsam seinem höchsten Stand während seines
jahrtausendelangen Zyklus am nächtlichen Himmel. Jetzt aber
sei nach Cayce auch der Zeitpunkt, an dem die letzten Geheimnisse
der Pyramide gelüftet würden: In einer „verborgenen
Kammer" in der Pyramide sollen die sagenumwobenen Bücher
des Weisheitsgottes Thot und die verlorengegangenen Berichte über
Atlantis wiedergefunden werden. Tatsächlich entdeckte vor
kurzem der Archäotechniker Gantenbrink - als er einen selbstfahrenden
Roboter mit Videokamera in die Schächte der Kammern klettern
ließ - am Ende des südlichen Schachtes der „Königinkammer" eine
Art Steintür. Gibt es also die von Cayce beschriebene Kammer
tatsächlich, und birgt sie womöglich das Wissen der ersten
Pyramidenbauer? Zur Zeit werden die Möglichkeiten, wie diese
Tür geöffnet werden und ob sich dahinter wirklich ein
Raum befinden könnte, von Gantenbrink und anderen Archäologen
geprüft. Nach Cayces Vision vor 50 Jahren bliebe dafür
nicht mehr viel Zeit, denn noch in unserem Jahrhundert soll das
Geheimnis der Pyramiden endgültig gelüftet werden.
Bildquellen: ©List Verlag |